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Macht der Farben

Wir leben in einer absolut farblosen Welt. Farben sind insofern nur eine Realität für uns, soweit sie uns durch das Gehirn ermöglicht werden.

Ein optischer „Selbstwert Farbe“ existiert nicht. Die Wahrnehmung einer Farbe ist immer gebunden an die Form, die Struktur, an den Gegenstand, den symbolischen Wert und vor allem an die persönliche Konditionierung. Die Botschaft einer Farbe ist vordergründiger als die Farbe selbst.

Über das sichtbare Spektrum (optisches Fenster) nehmen wir Farben über elektromagnetische Schwingungen in Wellenlängen von 380 nm Blau – 710 nm Rot wahr. Technisch gesehen nehmen wir alle die Farben gleich war, empfinden sie aber unterschiedlich. Wie jeder Mensch ein eigenes Wesen besitzt, gehören auch bestimmte Farben zu ihm. Dieses verändert sich im Laufe des Lebensalters und mit Erlebnisverknüpfungen (Assoziationen) bestimmter Farben. So entsteht einerseits ein individuelles, subjektives Gefühlsverhältnis zu Farben, anderseits sind sich die Farbforscher weltweit einig, dass darüber hinaus ein kollektiv emotionales Farberleben besteht.

Die Angaben über die Anzahl der Erkennbarkeit von Farbdifferenzierungen für Menschen sind unterschiedlich, sie reichen von 100.000 bis zu drei Millionen.

Farbsehstörungen werden mit 8% bei Männern und 4% bei Frauen angegeben. (Grünschwäche 50%, Rotschwäche 10%, Blauschwäche und totale Farbblindheit kommen selten vor.)

Wir erleben stetig real, vorgestellt oder im Traum eine farbige Welt, ohne uns dessen bewusst zu sein. Farbe ist Ausdruck einer vitalen Lebenslust und des persönlichen Stils. Farben dienen der Kommunikation und in erster Linie dazu, Formen von einander abzugrenzen. Wir kommunizieren mit Farben wie mit einer allgemein verständlichen Sprache. Die Farben (Flaggen) eines Landes sind Identifikationsmerkmale von hohem Rang. Als Unterscheidung und Kennzeichnung z.B. bei Fußballmannschaften, oder im Straßenverkehr sind sie unentbehrlich. Die Abgrenzung und die Signalwirkung durch Farben sichern uns das Überleben.

Farben haben Macht. Sie wirken im Unterbewusstsein und lenken und beeinflussen unsere Gefühle während der Arbeit, beim Einkaufen, bei der Partnerwahl und bei weiteren Entscheidungen. Es reicht, eine bestimmte Farbe nur für Sekunden wahrzunehmen, damit sie ein vorhersehbares Verhalten  auslöst.
Jede einzelne Farbe jedoch hat, gesehen oder nur vorgestellt, psychologisch ihre eigene, faszinierende Wirkung, die spontane Stimmungen hervorruft und unsere Gefühle beeinflusst. Und niemand kann sich der Wirkung von Farben entziehen. Farben und Farbkombinationen können als Vermittler von Empfindungen benutzt werden. Sie können aber auch Gefühle hervorrufen, Stimmungen erzeugen und auf seelische und körperliche Vorgänge Einfluss nehmen. Farben bestimmen , wie wir uns in Räumen fühlen: ängstlich, beklemmt, traurig oder heiter, gelöst, ungezwungen.
Wir können Farben und ihre Wirkung nicht ignorieren oder ausblenden. Das ist ebenso unklug, wie sich durch Farben verführen, überreizen und beherrschen zu lassen. Es kommt darauf an, die durch Farben ausgelösten Emotionen positiv gestalterisch auf die entsprechenden Nutzungsbereiche zu übertragen.
Der modernen Psychologie geht es darum, eine eindeutige Beziehung zwischen den Farben und den sich daraus ergebenden Gefühlen positiv zu nutzen. Die sich darüber hinaus ergebende Möglichkeit, Farbe auch als ästhetische Wirkung zu nutzen, ist höchst spannend und lohnend. Eine ästhetische Wirkung aber kommt immer nur dann zustande, wenn die assoziative Wirkung der Farbe mit den Inhalten übereinstimmt, sonst bleibt nur reine Dekoration oder ein kurzlebiger Reiz. Eine auf eine bestimmte Gefühlserwartung hin ausgerichtete Farbkonzeption steigert die Lebensqualität, die Wohlbefindlichkeit und damit auch die Leistungsqualität erheblich .

Schon die ersten farbigen Höhlenmalereien vor 1.000 – 3.500 Jahren übermitteln uns noch heute beeindruckende, emotional empfundene menschliche Zeugnisse.

Betrachtet man durch unterschiedlich farbige Gläser z.B. rote, blaue, gelbe, grüne die Welt, kann man schnell erfahren, wie sich die Wahrnehmung und Stimmung dramatisch verändert. Auch die Wegnahme der Farbe bei Fernsehbildern ( z.B. Naturbeschreibungen ) zeigt sehr deutlich den emotionalen Abfall.

Johann Wolfgang von Goethe schreibt in seiner Farbenlehre: „Gegen die Reize der Farben, welche über die ganze sichtbare Natur verbreitet sind, werden nur wenige Menschen  unempfindlich bleiben.“

Sehr eindrucksvoll und intensiv beschreibt Orhan Pamuk in seinem Roman „Istanbul, Erinnerungen an eine Stadt„ in dem Kapitel: Schwarz – Weiß die deprimierende und bedrückende Stimmung der Farblosigkeit in Istanbul.

Johannes Itten vermerkt: „Farbe ist das Leben, denn eine Welt ohne Farben erscheint wie tot. Das Wesen der Farbe ist ein traumhaftes Klingen, ein musikgewordenes Licht.“ und James Henry Leigh Hunt sagt: „Farben sind das Lächeln der Natur.“

Berühmte Filmschaffende haben die Farben dramaturgisch als emotionale Macht eingesetzt und die Werbung nutzt die Macht der Farbe seit eh und je erfolgreich.

 

Viele bedeutende Menschen haben sich mit dem Phänomen der Farbe von der Antike bis heute befasst. Johann Wolfgang von Goethe begründete in seiner Farbenlehre mit der Beschreibung der „sinnlich sittlichen Wirkung von Farben“ den Beginn der modernen Farbenpsychologie.

Die nachfolgende Aufstellung von Persönlichkeiten, geordnet nach Geburtsjahr, zeigt die Faszination, die das Phänomen Farbe ausgelöst hat. Weitestgehend sind Deutsche aufgeführt. In den angloamerikanischen Ländern und Europa arbeiteten und arbeiten zahlreiche weitere Forscher an diesem Thema.

Pythagoras 570 v. Chr. griechischer Mathematiker, Philosoph
Konfuzius 551 v. Chr. chinesischer Denker
Platon 428 v. Chr. griechischer Philosoph
Aristoteles 384 v. Chr. griechischer Philosoph
Thomas von Aquin 1225 - 1274 Dominikaner, Theologe
Leonardo da Vinci 1452-1490 Maler
Athanasius Kircher 1602-1680 Jesuiten-Pater
Isaac Newton 1642-1727 Physiker
Tobias Mayer 1723-1762 Kartograf
Johan Heinrich Lampert 1728-1777 Mathematiker, Physiker
Christian Ernst Wünsch 1744-1828 Mathematiker, Mediziner
Matthias Klotz 1748-1821 Maler
Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832 Universalgelehrter, Schriftsteller
Thomas Young 1773-1829 Augenarzt, Physiker
Philipp Otto Runge 1777-1810 Maler
Georg Field 1777-1854 Chemiker
Eugene Chevreul 1786-1889 Farbchemiker
Jan Evangelista Purkyne 1787-1869 Sinnesphysiologe
Arthur Schoppenhauer 1788-1860 Philosoph
Gustav Theodor Fechner 1801-1887 Physiker, Naturphilosoph
Hermann von Helmholtz 1821-1894 Physiker, Universalgelehrter
Wilhelm Wundt 1822-1920 Physiologe
Ewald Hering 1834-1918  Physiologe
Wilhelm von Bezold 1837-1907 Farbenphysiker
Wilhelm Ostwald 1853-1932 Chemiker
Adolf Hölzel 1853-1934  Maler
Albert Henry Munsell 1858-1918  Maler
Georges Seurat 1859-1891  Maler
August Kirschmann 1860-1932 Psychologe
Wassily Kandinsky 1866-1944 Maler
Paul Krais 1866-1939 Chemiker
Robert Thomas Dietrich Luther 1868-1945 Chemiker, Photograph
Paul Baumann 1869-1961 Farbenhändler, Farbkartenhersteller
Otto Prase 1874-1956 Maler
Carl Gustav Jung 1875-1961 Psychoanalythiker
Paul Klee 1879-1940 Maler ( Bauhausmeister )
Le Corbusier 1887-1965 Architekt , Maler
Stefanescu Goanga 1881-1958 Physiologe
Erwin Schrödinger 1887-1961 Quantenphysiker
Johannes Itten 1888-1967 Maler ( Bauhausmeister )
Ernst Jünger 1895-1998 Schriftsteller , Philosoph
Hinnerk Scheper 1897-1957 Maler ( Bauhausmeister )
Siegfried Rösch 1899-1984 Mineraloge
Faber Birren 1900-1988 Kunsthistoriker
Alfred Hickethier 1903-1967 Drucktechniker
Manfred Richter 1905-1960 Farbphysiker
Heinrich Frieling 1910-1966 Farbenpsychologe, Zoologe
Max Lüscher *1923 Psychologe, Philosoph
Harald Küppers *1928 Experte für Drucktechnik und Farbentheorie
Eckart Heimendahl  Philosoph, Psychologe